Bericht über die Aufführungen an der Friedrich-Ebert-Schule, Pfungstadt am 4.3.2020

Schweigen und Schweigen brechen
Wie persönliche Freiheit entsteht, die man nicht bereuen muss
Ein Artikel von Martina Becker

Ihr „Name erzählt eine Geschichte“. Heute gilt sie – wie ihr Bruder und die anderen Freunde – als Heldin im Kampf gegen die Diktatur des Nationalsozialismus. Eine solche Heldin, ein solcher Held könnte jeder sein. Man muss nur eines lernen: Widerstand leisten zu können und sich selbst zu vertrauen.

Welche persönliche Entwicklungsleistung und welchen starken Charakter man dafür benötigt, zeigt das Stück „Name: Sophie Scholl“. Die zweite Sophie Scholl, die in unserer Zeit aufwuchs und gerade ihr Jurastudium beenden wollte, hielt diesen Namen lange für einen Fluch. Jeder erwartet, dass sie die gleiche Courage und Moral an den Tag legen würde wie die Sophie Scholl: Mitglied der ‚Weißen Rose’, hingerichtet 1943 wegen ihres Widerstandes. Das Stück der Autorin Rike Reiniger erzählt die Geschichte beider Mädchen und ermutigt die jungendlichen Zuschauer*innen, auch selbst nicht immer den einfachsten und bequemsten Weg zu gehen, wenn dieser nicht als der korrekteste erscheint.

Da stehen also zwei Sophie Scholl aus ganz anderen Zeiten in einem Stück auf der gleichen Bühne. Doch die Irritation wäre nicht vollkommen, wenn nicht beide Figuren auch noch von der gleichen Schauspielerin – in diesem Fall Daniela Mitterlehner – gespielt werden würde. Und genau darum wurde die Inszenierung der Regisseurin Judith Senger von den Schüler*innen der zehnten Klassen der Friedrich-Ebert-Schule Pfungstadt am 04.März 2020 auch unterschiedlich wahrgenommen. Die Reaktionen zeigen, dass diese Art und Weise der Theaterinszenierung neu und ungewohnt war, ja ungewöhnlich erschien. Dazu gehört nicht nur, dass Daniela Mitterlehner unzählige Figuren des Stücks als einzige Darstellerin spielte. Das Verhältnis zwischen Spieler und Zuschauer ist neu und ungewöhnlich: die Zuschauer*innen sitzen quasi auf der Bühne, die Schauspielerin bewegt sich durch die Zuschauer*innen hindurch, als Sophie wirft sie Flugblätter von hinten durch den Zuschauerraum. Und im Anschluss an das Stück wurden die Schüler*innen – theaterpädagogisch angeleitet von Frau Senger und Frau Mitterlehner – selbst aktiv: Fragen in Bewegungsspielen beantworten und selbst spontan kleine Szenen entwickeln.

Die Reaktionen zeigen aber auch, dass dieser ästhetische Weg Wissen über Geschichte und Sophie Scholl an Jugendliche herantragen kann. Dazu beigetragen haben sicherlich zum einen die Videoclips, durch welche das Schauspiel dokumentarisch ergänzt wird. Mit ihnen tauchen die Zuschauer*innen ein in die Zeit und lernen die echte Sophie kennen. Aber auch die durch die Schauspielerin dargestellten Episoden aus dem persönlich-privaten Leben der historischen Sophie Scholl bringen Eindrücke und Gefühle eines jungen Mädchens auf die Bühne, das sich zwischen ihren Freundinnen beim Bund Deutscher Mädel und ihrer christlich-moralischen Überzeugung, den Krieg zu beenden, entscheiden muss. Ähnlich ergeht es der fiktiven modernen Sophie: soll sie ihr Ziel, einen erstklassigen Studienabschluss, durch schmutzige Tricks und Betrug erreichen oder selbst fälschlich juristisch belangt werden, um die Ehre der Sekretärin ihres Professors zu retten?

Das Gastspiel – gefördert durch Flux – macht mit ästhetischem Zugang zu einem sonst abstrakten und zeitlich weit entfernten Thema deutlich wie nah Geschichte und Gegenwart sich sind. Jene Grundhaltung, die einzelne Jugendliche in der Zeit des Nationalsozialismus gehabt haben, ist auch eine modernen Grundhaltung, wenn es darum geht Moral, Recht und die persönliche Freiheit des Einzelnen zu bewahren. Dabei kann Schweigen – zum Schutz der eigenen Gruppe – genauso wichtig sein, wie den Mund aufzumachen und das Schweigen über Unrecht und Verwerfung zu brechen.

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Einige Kommentare:

  • Sophie Scholl fand ich toll – doch das Stück war verrückt
  • Es war gut, da das Thema (Sophie Scholl, Zivilcourage zeigen) für jeden gut und sinnvoll war; es war sehr informativ. Ich kannte nicht viel über Sophie Scholl und jetzt weiß ich viel mehr.
  • Ich fand die Massage hinter dem Stück wichtig.
  • Ich fand es spannend, weil von beiden Sophies – der echten Sophie Scholl aus der Zeit des Nationalsozialismus & einer fiktiven modernen, heute lebenden Sophie Scholl – erzählt wurde. Es hat mir gefallen.
  • Ich fand das Thema gut; das Stück war spannend und es hat mich schon irgendwie interessiert. Aber – auch wenn es eine starke Leistung ist, sich alles zu merken – war das Ein-Personen-Stück für mich irgendwie komisch.
  • Ich fand es gut, wie & dass die Schauspielerin die Charaktere gewechselt hat. Es war sehr gut gespielt. Es war auch mal etwas anderes, dass sie sozusagen zwischen zwei verschiedenen Welten hin und her gesprungen ist.
  • Es war cool und witzig, dass die Schauspielerin tanzen konnte und sich einfach wohl gefühlt hat.
  • Mir hat am meisten gefallen, dass der Professor der modernen Sophie Scholl die Prüfungsergebnisse gezeigt hat. Das hätte ihr weiterhelfen können, doch sie hat diese Aktion schlecht geredet, also den Professor für sein Handeln kritisiert und diese Chance nicht angenommen.
  • Man konnte sich in die gespielte(-en) Person(-en) gut hineinversetzen.
  • Die Filme, durch die das Stück ergänzt wurde, waren auch gut.
  • Ich fand, das mal etwas ganz anderes, als das Thema immer nur im Unterricht durchzunehmen.